Anbei die Videos zur Kabinen- und Halbzeitansprache von Dr. Rolf Brack zum Spiel HBW Balingen-Weilstetten - TV Neuhausen vom 20.04.2013
Mittwoch, 24. April 2013
Sonntag, 21. April 2013
Gastbeitrag von Julian Bauer
Julian Bauer (Trainer mA-Bundesliga SG Ratingen) zum Artikel "Wenn die Lösung zum Problem wird! 4:2-Angriff gegen 3-2-1-Abwehr (jugoslawisch)"
In ihrem Artikel
diskutieren Feldmann und Meyer die Frage, ob der Systemwechsel aus dem
3:3-Angriff in einen 4:2-Angriff gegen die zwangsläufig jugoslawisch agierende
3:2:1-Abwehrreihen bei Auswahlmannschaften in der zu beobachtenden Häufigkeit
als Hauptangriffsmittel gerechtfertigt ist.
Hierbei kann Dank des
großen Arbeitsaufwandes der beiden Autoren auf dezidiertes Datenmaterial eines
Ländervergleiches der männlichen Auswahlmannschaften des Jahrgangs 97 in
Ratingen vom November 2012 zurückgegriffen werden. Aus Sicht des Autors
sind mit der Behandlung des Themas zwei elementare Fragestellungen verbunden:
1.
Wird der Zweck der individuellen Sichtung von Spielern für die nächsthöhere
Förderstufe des DHB einem Systemwechsel
im Angriff folgend, ausreichend Rechnung getragen?
2.
Rechtfertigen die statistisch vorliegenden Werte zu den Erfolgsquoten im
klassischen 3:3-Angriff im Vergleich zum 4:2-Angriff die häufige Auswahl dieses
mannschaftstaktischen Angriffsmittels Übergang + Folgehandlungen?
Die erste Frage muss
sicher unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten erörtert werden. Der
DHB-Rahmentrainingskonzeption folgend agieren alle Landesauswahlmannschaften
bei der DHB-Sichtung im jugoslawischen 3:2:1-Abwehrsystem. Kernaufgabe der
Sichtungsmaßnahme ist das Sichten von einzelnen Spielern für eine DHB-Maßnahme
bzw. das Erkennen des individuellen Leistungsstandes der verschiedenen Spieler Landesverband-übergreifend. Wie von den beiden
Autoren hinreichend beschrieben, führt der Systemwechsel des Angriffes dazu,
dass eine klare Mannzuordnung innerhalb der Abwehrräume nicht mehr gegeben ist.
Die jugoslawische 3:2:1-Abwehr als klassische Raumdeckung bietet der
angreifenden Mannschaft daher die Möglichkeit mit kleingruppen- und
mannschaftstaktischen Mitteln die Abwehr auszuspielen. Dies führt allerdings
auch dazu, dass der individuelle Freiheitsgrad der Angreifer (vgl. Brack, 2004)
eingeschränkt wird bzw. die Angreifer nicht mehr dazugezwungen sind, aufgrund
der nicht mehr beizubehaltenden Mann-zu-Mann Zuordnung Zweikämpfe zu gewinnen. Natürlich schließt der
Übergang in den 4:2-Angriff das erfolgreiche Lösen von 1:1 Situationen nicht
aus, jedoch ist, wie von den beiden Autoren beschrieben, das Phänomen
erkennbar, dass sich die abwehrenden Mannschaften in Folge von Übergängen oft
stark zurücksinken lassen, um die Tiefenräume zu schließen, was wiederum
erfolgreiche 1:1 Aktionen der Angreifer erschwert. Demzufolge muss davon
gesprochen werden, dass oft die angreifende Mannschaft nach einem Übergang in
den 4:2-Angriff erfolgreich sein wird, die dies am besten kleingruppen- und
mannschaftstaktisch löst. Dies korreliert nicht zwangsläufig mit den
individuell am bestem geschulten Einzelspielern, die bei einer Sichtung erkannt
werden sollen. Natürlich stellt die
individuelle Weiterspielqualität der einzelnen Rückraumspieler im 4:2-Angriff
auch ein qualitatives Merkmal von Angreifern dar. Allerdings stellen Übergänge
nur einen der vier klassischen Auftakthandlungen gemäß DHB Rahmentrainingskonzeption dar. Ebenfalls ist das erfolgreiche Lösen von
Übergangssituationen für die Abwehr ein Qualitätsmerkmal, welches auch die individuellen
Abwehrfähigkeiten des Abwehrspielers beinhaltet (vgl. Petersen, HT 05/06,
2005). Häufig ist jedoch in diesem Zusammenhang zu beobachten, dass gerade die
Auftakthandlungen Stoßen und Kreuzen vom Angriff nur mangelhaft beherrscht
werden und diese Mängel durch geschickte Systemwechsel erfolgreich „versteckt“
werden können. Demzufolge ist das
Anwenden der Auftakthandlung Übergang durchaus als sinnvolles Mittel gegen eine
jugoslawisch agierende 3:2:1 Abwehr zu sehen, sollte aber, wenn überhaupt,
quantitativ so häufig genutzt werden, wie die Auftakthandlungen Sperren, Stoßen
oder Kreuzen, welche ebenfalls die kleingruppen- und individuellen Fähigkeiten
der Angreifer beinhalten. Soll aber wie bei den DHB-Sichtungen die individuelle
Angriffs- und auch Abwehrqualität erfasst werden, so scheint die
Herangehensweise von Rheinland-Pfalz beim Turnier in Ratingen lediglich 10%
Übergangssituationen zu schaffen und ansonsten individuelle Qualitäten vor
allem im Spiel 1:1 anzuwenden, die zielführendere zu sein. Die Observation, dass
53% der Angriffe im 4:2-System abgeschlossen wurden, untermauert hier die
Notwendigkeit die quantitative Anwendung zu überdenken. Ebenfalls wäre die
Frage zu stellen, ob das situative Auflösen der raumorientierten 3:2:1 Abwehr
zugunsten einer mannorientierten 4:2 Abwehr die Angreifer wieder in gehäufte
1:1 Aktionen zwingen würde, wodurch die Angreifer zu individuellen Lösungen in
Folge der klaren Mann-zu-Mann Zuordnung gezwungen würden.
Ebenfalls behandeln die
Autoren die Frage, ob der häufige Systemwechsel in die 4:2-Angriffsformation
qualitativ überhaupt den gewünschten Erfolg bringt. Die Gesamtstatistik des
Turniers mit einer Stichproben Größe (n=733) zeigt eine Effektivität von 47% im
3:3 Angriffsspiel und 46% im 4:2 Angriffsspiel. Diese Zahlen und die Differenz
stellen bei der Größe der Stichprobe sicher keinen signifikanten Unterschied
dar. Jedoch stellt sich die Frage, ob aus ergebnisorientierter Sicht der Anteil
von 53% (n=392) Angriffen im 4:2-Angriffssystem im Gesamtturnier überhaupt Sinn
macht. Letzten Endes kann nicht nachgewiesen werden, dass für alle beteiligten
Mannschaften einer vermehrtes Beibehalten des 3:3 Angriffes die
Angriffseffektivitäten erhalten oder verbessert hätte, jedoch kann festgestellt
werden, dass das vermehrte Spielen im 4:2 Angriff zu keinem ergebnistechnischen
Vorteil im Gesamtturnier geführt hat. Da davon auszugehen
ist, dass die jeweiligen Mannschaften und Trainer das vermehrte Übergehen in
die 4:2-Formation gespielt haben um „Absprache- und Übergabe/Übernahme-Fehler
in der Abwehr zu provozieren“ (Feldmann & Mayer, ibid) und dadurch einen
Vorteil für den Angriff herzustellen, muss auf Grundlage der vorliegenden
Resultate dieses Ziel als verfehlt bezeichnet werden. Von den 5 teilnehmenden
Mannschaften hatten sogar 3 (Hessen, Niederrhein und Niedersachsen) im
4:2-Angriff schlechtere Quoten als im 3:3-Angriff. Ungeachtet dieser den
Trainern sicher nicht bekannten Tatsache, schlossen aber gerade diese
Mannschaften jeweils über 50% ihrer Angriffe im 4:2-Angriff ab. An dieser
Stelle ist deshalb zu hinterfragen, ob ein vermehrtes Bleiben im 3:3-Angriff
die Quoten dieser Mannschaften nicht verbessert hätte.
Fazit:
Die
Vorgaben des DHB geben den Auswahlmannschaften vor der Sichtung das Spielen der
3:2:1 im jugoslawischen System, also als klassische Raumdeckung vor. Hierdurch
ist es dem Angriff möglich, durch einen Systemwechsel ins 4:2 die klassische
Mann-zu-Mann Ordnung aufzulösen. Für
den ein Jahr später stattfindenden Länderpokal gilt diese Vorgabe nicht mehr,
so dass argumentiert werden kann, dass die Verbesserung des mannschafts- und kleingruppentaktischen Zusammenspiels der Auswahlmannschaften mit dem
vermehrten Übergehen in die 4:2-Formation unter ergebnistechnischen Gesichtspunkten
als sinnvoll erscheint. Basierend
auf den Resultaten von Feldmann & Meyer muss aus Sicht des Autors aber der
Systemwechsel in dieser quantitativen Ausprägung während der Sichtung in Frage
gestellt werden, da er spieltaktische Verhaltensweisen sowohl im Angriff- als
auch im Abwehrspiel provoziert, die das Erkennen von individuellen Fertigkeiten
vor allem im Spiel 1:1 erschwert. Ebenfalls
scheint zumindest für einige der untersuchten Mannschaften der Systemwechsel in
die 4:2-Angriffsformation keine spieltaktischen Vorteile zu bringen, die sich
in höheren Angriffseffektivitäten auswirken. Daher
scheint es aus Sicht des Autors Sinn zu machen, entweder bei gehäufter Wahl des
Systemwechsels in den 4:2-Angriff der Abwehr die Möglichkeit zu geben wiederum
durch einen Systemwechsel in die 4:2-Abwehr die Mann-zu-Mann Ordnung
beizubehalten oder der Übergang in die 4:2-Formation des Angriffs quantitativ
begrenzt wird. In
diesem Zusammenhang ist ebenfalls eine größere Stichprobe wünschenswert, um die
von Feldmann & Meyer aufgezeigten Trends zu verstärken oder gegebenenfalls
zu verwerfen.
Hier findet ihr das Buch von Julian Bauer: Der Torwart im Hallenhandball - reiner "Torwächter" oder verschenkter Angreifer?
Hier findet ihr das Buch von Julian Bauer: Der Torwart im Hallenhandball - reiner "Torwächter" oder verschenkter Angreifer?
Donnerstag, 11. April 2013
Gastbeitrag von Dirk Mathis
Dirk Mathis (Landestrainer Saarland) zum Artikel "Wenn die Lösung zum Problem wird! 4:2-Angriff gegen 3:2:1-Abwehr (jugoslawisch)"
Es
ist immer gut, die Spiele aus unterschiedlichen Sichtweisen zu beleuchten und
zu analysieren. Eine detaillierte Aufschlüsselung der einzelnen Angriffe mit
den dazugehörigen Auslösehandlungen ist aus meiner Sicht sehr interessant, auch
bzgl. der Ausbildungsinhalte der einzelnen Landesverbände. Bei dem analysierten
Ländervergleich kam meine Mannschaft bei der Hauptthese „sind Übergänge das
Hauptangriffsmittel“ zu einer positiven
Einschätzung. Den Grund sehe ich darin, dass die einzelnen Kader in der
Saarland internen Ausbildungsstruktur eine hohe Trainingshäufigkeit aufweisen,
also Grundsätzen ähnlich einer „Vereinsmannschaft“ unterliegen. In der
Ausbildungsphilosophie des HVS sollen die Spieler eine bestmögliche
individuelle Ausbildung erfahren. Die für die erfolgreiche Zweikampfführung
notwendigen Rahmenbedingungen werden durch eine fundierte athletische
Ausbildung unterstützt und die Spieler sollen in diesem Bereich ihre Stärken
weiterentwickeln. Ein zweiter zentraler Punkt der Ausbildung ist aus meiner
Sicht, Nachwuchsspieler „spielfähig“ zu machen. Dies geschieht in der
Förderstruktur meiner Kader durch das gezielte Einsetzen von gruppentaktischen
Maßnahmen. Wichtig ist dabei, dass die Spieler den Sinn von Auslösehandlungen
verstehen und im Angriff, wie in der Abwehr richtige Entscheidungen treffen,
die sich logischerweise an dem Verhalten der Gegenspieler orientieren. Die
Spieler sollen lernen, ihre Stärken in den richtigen Spielsituationen
einzusetzen (kontrolliert und erweitert wird dies durch regelmäßiges
Videofeedback).
Bei
der zweiten aufgestellten These bzgl. der Effizienz ist beim Team Saar eine
verbesserte Effizienz im 4:2 (43%) im
Vergleich zum 3:3 Angriff (50%) zu erkennen. Die immer wiederkehrenden
Auslösehandlungen bringen meine, im Bundesdurchschnitt eher „klein“ gewachsenen
Spieler in vielzählige Entscheidungssituationen, die sie gut und variabel lösen
und zu Torerfolgen umsetzen.
Meine
Meinung ist, dass die Spieler in dieser Altersstufe ein Grundmuster an
Auslösehandlungen und die entsprechenden Entscheidungsmöglichkeiten kennen
sollten. Nach gespieltem Übergang sollen sie ihre individuellen Stärken ins
Spiel einbringen.
Direktes
Übergehen ohne Auslösehandlung, z.B. nach einem Gegentor, oder das Verweilen im
4:2 System, z.B. nach einem Freiwurf halte ich für bedenklich, da dann nicht
situationsgerechte Verhaltensweisen auftreten.
Zur
letzten abschließend aufgestellten These ob das „stereotype Abwehrspiel“
flexibler agieren sollte, möchte ich
anmerken, dass es Lösungsmöglichkeiten für die Abwehrspieler gibt. Zum einen
kann in der gespielten 3:2:1 Abwehrvariante viel Druck auf den ballführenden
Spieler ausgeübt werden und zum anderen müssen die Außenabwehrspieler mehr
antizipatives Spiel anwenden und sich aktiv im Abwehrverband einbringen.
Generell
finde ich, dass flexibles und situationsangepasstes Abwehrspiel zeitgemäß ist
und sich die Abwehr, je nach Situation, die der Angriff wählt, flexibel reagierend
zeigen sollte.
Montag, 8. April 2013
Gastbeitrag von Marc Brückner
Marc Brückner (Trainer mB-Jugend Bayernliga HaSpo Bayreuth) zum Artikel "Wenn die Lösung zum Problem wird! 4:2 Angriff gegen 3:2:1-Abwehr (jugoslawisch)"
Ist ein Angriffskonzept ein Problem?
Nein, es ist die Chance zum Umdenken und Weiterentwickeln! Die hohe Zahl von 4:2-Angriffen sehe ich als völlig normale Entwicklung im Handball. Bezogen auf unsere Mannschaft (B-Jugend Bayernliga) ist dieses System die nahezu einzige Möglichkeit gegen größere und kräftigere Mannschaften erfolgreich im Angriff zu spielen. Zugegebenermaßen liegt bei uns die Quote der 4:2-Angriffe sicher über 70-80%, um Tiefe und Breite zu generieren. Auch bei der aktuellen WM war der (deutsche) 4:2-Anteil gegenüber 3:2:1 gefühlt sehr hoch. Ebenso wurde zumeist auch gegen die deutsche 6:0-Abwehr das 4:2-Angriffssystem gespielt. Warum wird also ein System als Problem dargestellt, das zum einen sehr viele Lösungen gegen unterschiedliche Systeme bietet und zum anderen ein freies kooperatives (Kleingruppen-)Spiel im Angriff fördern „kann“?
Dass es zu dem, wie im Artikel genannten, „stereotypen Angriffsspiel ohne Einbindung der Außenspieler“ kommt, liegt meiner Meinung nach an der für mich „leider gängigen“ Methode des „defensiven VM“ bei Übergängen. Diese Variante wird in der Bundesliga gespielt, in nahezu allen Ausgaben der HT (zuletzt 1/13 Markus Gaugisch) demonstriert und letztendlich vom DHB gefordert.
Basierend auf drei Zitaten aus Peter Fedderns „3:2:1 mit Libero“ möchte ich eine Abwehrvariante bei Übergängen zur Diskussion stellen, die als „Aufrechterhalten der Vorteile und nicht nur des Systems der 3:2:1“ gesehen werden könnte.
In unserer B-Jugend reagieren wir auf Übergänge aus dem Rückraum (Außenübergang wird anders verteidigt) mit:
1. „Doppeln“ des ballbesitzenden Halbangreifers durch den VM und
2. „Anpressen“ des freien Halben durch den ballfernen Außenverteidigers.
Idee:
Zitat 1: „VM – der Zerstörer in vorderster Linie“
Der nach Übergängen wie in Abb. 2. „freie defensive VM“ geht aktiv zum Doppeln auf den ballbesitzenden Halben und zieht sich nicht „nur“ zurück. Der Druck auf den Ballbesitzer wird damit erhöht, der Weg zur Mitte nahezu unmöglich und die „Stereotypen“ Halb-Halb-Pässe gefährlich. Denn...
...Zitat 2: „Es gibt keine Punktwertung für Freistehen.“
In der aktuellen Variante (Abb.2) „stehen die Außenverteidiger und die restlichen Spieler werden zu „Sprintern“ im Mittelbereich. „Freistehen“ bezieht sich hier auf die beiden Kreisspieler. In unserer Variante steht der „ballentfernteste Spieler“ frei. Das weite Heraustreten an den freistehenden Halben durch den Außenspieler unterbindet nun die Halb-Halb-Pässe und führt eventuell sogar zum Steal. Denn...
...Zitat 3: „ Die 3:2:1-Abwehr mit Libero ist [...] eine Bekämpferdeckung.“
Der Druck wird dadurch spätestens nach dem Übergang von der Abwehr erzeugt und nicht mehr vom Angriff! Die bisherige Variante des Abwehrsystems erzeugt hingegen eher ein Reagieren als Agieren (Bekämpfen). Und das fördert „stereotypes Angriffs- UND Abwehrverhalten“.
Als vor einigen Jahren die defensive 6:0-Abwehr durch (Leer-) Kreuzungen des Angriffs uneffektiv wurde, „mutierte“ sie zur „antizipativen flexiblen Wand“. Diesen Prozess gilt es nun meiner Meinung nach für die 3:2:1-Abwehr „anzustoßen“.
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