Donnerstag, 4. Juli 2013

NDR Sportclub: THW Kiel hautnah

Anbei das Video zum NDR Sportclub mit der Reportage "THW Kiel hautnah". Alfred Gislason gibt seltene Einblicke in seine tägliche Arbeit beim deutschen Rekordmeister.




Sonntag, 21. April 2013

Gastbeitrag von Julian Bauer

Julian Bauer (Trainer mA-Bundesliga SG Ratingen) zum Artikel "Wenn die Lösung zum Problem wird! 4:2-Angriff gegen 3-2-1-Abwehr (jugoslawisch)"





In ihrem Artikel diskutieren Feldmann und Meyer die Frage, ob der Systemwechsel aus dem 3:3-Angriff in einen 4:2-Angriff gegen die zwangsläufig jugoslawisch agierende 3:2:1-Abwehrreihen bei Auswahlmannschaften in der zu beobachtenden Häufigkeit als Hauptangriffsmittel gerechtfertigt ist.
Hierbei kann Dank des großen Arbeitsaufwandes der beiden Autoren auf dezidiertes Datenmaterial eines Ländervergleiches der männlichen Auswahlmannschaften des Jahrgangs 97 in Ratingen vom November 2012 zurückgegriffen werden. Aus Sicht des Autors sind mit der Behandlung des Themas zwei elementare Fragestellungen verbunden:

1. Wird der Zweck der individuellen Sichtung von Spielern für die nächsthöhere Förderstufe des DHB  einem Systemwechsel im Angriff folgend, ausreichend Rechnung getragen?

2. Rechtfertigen die statistisch vorliegenden Werte zu den Erfolgsquoten im klassischen 3:3-Angriff im Vergleich zum 4:2-Angriff die häufige Auswahl dieses mannschaftstaktischen Angriffsmittels Übergang + Folgehandlungen?

Die erste Frage muss sicher unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten erörtert werden. Der DHB-Rahmentrainingskonzeption folgend agieren alle Landesauswahlmannschaften bei der DHB-Sichtung im jugoslawischen 3:2:1-Abwehrsystem. Kernaufgabe der Sichtungsmaßnahme ist das Sichten von einzelnen Spielern für eine DHB-Maßnahme bzw. das Erkennen des individuellen Leistungsstandes der verschiedenen Spieler Landesverband-übergreifend. Wie von den beiden Autoren hinreichend beschrieben, führt der Systemwechsel des Angriffes dazu, dass eine klare Mannzuordnung innerhalb der Abwehrräume nicht mehr gegeben ist. Die jugoslawische 3:2:1-Abwehr als klassische Raumdeckung bietet der angreifenden Mannschaft daher die Möglichkeit mit kleingruppen- und mannschaftstaktischen Mitteln die Abwehr auszuspielen. Dies führt allerdings auch dazu, dass der individuelle Freiheitsgrad der Angreifer (vgl. Brack, 2004) eingeschränkt wird bzw. die Angreifer nicht mehr dazugezwungen sind, aufgrund der nicht mehr beizubehaltenden Mann-zu-Mann Zuordnung Zweikämpfe zu gewinnen. Natürlich schließt der Übergang in den 4:2-Angriff das erfolgreiche Lösen von 1:1 Situationen nicht aus, jedoch ist, wie von den beiden Autoren beschrieben, das Phänomen erkennbar, dass sich die abwehrenden Mannschaften in Folge von Übergängen oft stark zurücksinken lassen, um die Tiefenräume zu schließen, was wiederum erfolgreiche 1:1 Aktionen der Angreifer erschwert. Demzufolge muss davon gesprochen werden, dass oft die angreifende Mannschaft nach einem Übergang in den 4:2-Angriff erfolgreich sein wird, die dies am besten kleingruppen- und mannschaftstaktisch löst. Dies korreliert nicht zwangsläufig mit den individuell am bestem geschulten Einzelspielern, die bei einer Sichtung erkannt werden sollen. Natürlich stellt die individuelle Weiterspielqualität der einzelnen Rückraumspieler im 4:2-Angriff auch ein qualitatives Merkmal von Angreifern dar. Allerdings stellen Übergänge nur einen der vier klassischen Auftakthandlungen gemäß DHB Rahmentrainingskonzeption dar. Ebenfalls ist das erfolgreiche Lösen von Übergangssituationen für die Abwehr ein Qualitätsmerkmal, welches auch die individuellen Abwehrfähigkeiten des Abwehrspielers beinhaltet (vgl. Petersen, HT 05/06, 2005). Häufig ist jedoch in diesem Zusammenhang zu beobachten, dass gerade die Auftakthandlungen Stoßen und Kreuzen vom Angriff nur mangelhaft beherrscht werden und diese Mängel durch geschickte Systemwechsel erfolgreich „versteckt“ werden können. Demzufolge ist das Anwenden der Auftakthandlung Übergang durchaus als sinnvolles Mittel gegen eine jugoslawisch agierende 3:2:1 Abwehr zu sehen, sollte aber, wenn überhaupt, quantitativ so häufig genutzt werden, wie die Auftakthandlungen Sperren, Stoßen oder Kreuzen, welche ebenfalls die kleingruppen- und individuellen Fähigkeiten der Angreifer beinhalten. Soll aber wie bei den DHB-Sichtungen die individuelle Angriffs- und auch Abwehrqualität erfasst werden, so scheint die Herangehensweise von Rheinland-Pfalz beim Turnier in Ratingen lediglich 10% Übergangssituationen zu schaffen und ansonsten individuelle Qualitäten vor allem im Spiel 1:1 anzuwenden, die zielführendere zu sein. Die Observation, dass 53% der Angriffe im 4:2-System abgeschlossen wurden, untermauert hier die Notwendigkeit die quantitative Anwendung zu überdenken. Ebenfalls wäre die Frage zu stellen, ob das situative Auflösen der raumorientierten 3:2:1 Abwehr zugunsten einer mannorientierten 4:2 Abwehr die Angreifer wieder in gehäufte 1:1 Aktionen zwingen würde, wodurch die Angreifer zu individuellen Lösungen in Folge der klaren Mann-zu-Mann Zuordnung gezwungen würden.

Ebenfalls behandeln die Autoren die Frage, ob der häufige Systemwechsel in die 4:2-Angriffsformation qualitativ überhaupt den gewünschten Erfolg bringt. Die Gesamtstatistik des Turniers mit einer Stichproben Größe (n=733) zeigt eine Effektivität von 47% im 3:3 Angriffsspiel und 46% im 4:2 Angriffsspiel. Diese Zahlen und die Differenz stellen bei der Größe der Stichprobe sicher keinen signifikanten Unterschied dar. Jedoch stellt sich die Frage, ob aus ergebnisorientierter Sicht der Anteil von 53% (n=392) Angriffen im 4:2-Angriffssystem im Gesamtturnier überhaupt Sinn macht. Letzten Endes kann nicht nachgewiesen werden, dass für alle beteiligten Mannschaften einer vermehrtes Beibehalten des 3:3 Angriffes die Angriffseffektivitäten erhalten oder verbessert hätte, jedoch kann festgestellt werden, dass das vermehrte Spielen im 4:2 Angriff zu keinem ergebnistechnischen Vorteil im Gesamtturnier geführt hat. Da davon auszugehen ist, dass die jeweiligen Mannschaften und Trainer das vermehrte Übergehen in die 4:2-Formation gespielt haben um „Absprache- und Übergabe/Übernahme-Fehler in der Abwehr zu provozieren“ (Feldmann & Mayer, ibid) und dadurch einen Vorteil für den Angriff herzustellen, muss auf Grundlage der vorliegenden Resultate dieses Ziel als verfehlt bezeichnet werden. Von den 5 teilnehmenden Mannschaften hatten sogar 3 (Hessen, Niederrhein und Niedersachsen) im 4:2-Angriff schlechtere Quoten als im 3:3-Angriff. Ungeachtet dieser den Trainern sicher nicht bekannten Tatsache, schlossen aber gerade diese Mannschaften jeweils über 50% ihrer Angriffe im 4:2-Angriff ab. An dieser Stelle ist deshalb zu hinterfragen, ob ein vermehrtes Bleiben im 3:3-Angriff die Quoten dieser Mannschaften nicht verbessert hätte.

Fazit:          
Die Vorgaben des DHB geben den Auswahlmannschaften vor der Sichtung das Spielen der 3:2:1 im jugoslawischen System, also als klassische Raumdeckung vor. Hierdurch ist es dem Angriff möglich, durch einen Systemwechsel ins 4:2 die klassische Mann-zu-Mann Ordnung aufzulösen. Für den ein Jahr später stattfindenden Länderpokal gilt diese Vorgabe nicht mehr, so dass argumentiert werden kann, dass die Verbesserung des mannschafts- und kleingruppentaktischen Zusammenspiels der Auswahlmannschaften mit dem vermehrten Übergehen in die 4:2-Formation unter ergebnistechnischen Gesichtspunkten als sinnvoll erscheint. Basierend auf den Resultaten von Feldmann & Meyer muss aus Sicht des Autors aber der Systemwechsel in dieser quantitativen Ausprägung während der Sichtung in Frage gestellt werden, da er spieltaktische Verhaltensweisen sowohl im Angriff- als auch im Abwehrspiel provoziert, die das Erkennen von individuellen Fertigkeiten vor allem im Spiel 1:1 erschwert. Ebenfalls scheint zumindest für einige der untersuchten Mannschaften der Systemwechsel in die 4:2-Angriffsformation keine spieltaktischen Vorteile zu bringen, die sich in höheren Angriffseffektivitäten auswirken. Daher scheint es aus Sicht des Autors Sinn zu machen, entweder bei gehäufter Wahl des Systemwechsels in den 4:2-Angriff der Abwehr die Möglichkeit zu geben wiederum durch einen Systemwechsel in die 4:2-Abwehr die Mann-zu-Mann Ordnung beizubehalten oder der Übergang in die 4:2-Formation des Angriffs quantitativ begrenzt wird. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls eine größere Stichprobe wünschenswert, um die von Feldmann & Meyer aufgezeigten Trends zu verstärken oder gegebenenfalls zu verwerfen.    

Hier findet ihr das Buch von Julian Bauer: Der Torwart im Hallenhandball - reiner "Torwächter" oder verschenkter Angreifer?
             

Donnerstag, 11. April 2013

Gastbeitrag von Dirk Mathis



Es ist immer gut, die Spiele aus unterschiedlichen Sichtweisen zu beleuchten und zu analysieren. Eine detaillierte Aufschlüsselung der einzelnen Angriffe mit den dazugehörigen Auslösehandlungen ist aus meiner Sicht sehr interessant, auch bzgl. der Ausbildungsinhalte der einzelnen Landesverbände. Bei dem analysierten Ländervergleich kam meine Mannschaft bei der Hauptthese „sind Übergänge das Hauptangriffsmittel“  zu einer positiven Einschätzung. Den Grund sehe ich darin, dass die einzelnen Kader in der Saarland internen Ausbildungsstruktur eine hohe Trainingshäufigkeit aufweisen, also Grundsätzen ähnlich einer „Vereinsmannschaft“ unterliegen. In der Ausbildungsphilosophie des HVS sollen die Spieler eine bestmögliche individuelle Ausbildung erfahren. Die für die erfolgreiche Zweikampfführung notwendigen Rahmenbedingungen werden durch eine fundierte athletische Ausbildung unterstützt und die Spieler sollen in diesem Bereich ihre Stärken weiterentwickeln. Ein zweiter zentraler Punkt der Ausbildung ist aus meiner Sicht, Nachwuchsspieler „spielfähig“ zu machen. Dies geschieht in der Förderstruktur meiner Kader durch das gezielte Einsetzen von gruppentaktischen Maßnahmen. Wichtig ist dabei, dass die Spieler den Sinn von Auslösehandlungen verstehen und im Angriff, wie in der Abwehr richtige Entscheidungen treffen, die sich logischerweise an dem Verhalten der Gegenspieler orientieren. Die Spieler sollen lernen, ihre Stärken in den richtigen Spielsituationen einzusetzen (kontrolliert und erweitert wird dies durch regelmäßiges Videofeedback).

Bei der zweiten aufgestellten These bzgl. der Effizienz ist beim Team Saar eine verbesserte Effizienz im 4:2 (43%)  im Vergleich zum 3:3 Angriff (50%) zu erkennen. Die immer wiederkehrenden Auslösehandlungen bringen meine, im Bundesdurchschnitt eher „klein“ gewachsenen Spieler in vielzählige Entscheidungssituationen, die sie gut und variabel lösen und zu Torerfolgen umsetzen.

Meine Meinung ist, dass die Spieler in dieser Altersstufe ein Grundmuster an Auslösehandlungen und die entsprechenden Entscheidungsmöglichkeiten kennen sollten. Nach gespieltem Übergang sollen sie ihre individuellen Stärken ins Spiel einbringen.
Direktes Übergehen ohne Auslösehandlung, z.B. nach einem Gegentor, oder das Verweilen im 4:2 System, z.B. nach einem Freiwurf halte ich für bedenklich, da dann nicht situationsgerechte Verhaltensweisen auftreten.

Zur letzten abschließend aufgestellten These ob das „stereotype Abwehrspiel“ flexibler agieren sollte,  möchte ich anmerken, dass es Lösungsmöglichkeiten für die Abwehrspieler gibt. Zum einen kann in der gespielten 3:2:1 Abwehrvariante viel Druck auf den ballführenden Spieler ausgeübt werden und zum anderen müssen die Außenabwehrspieler mehr antizipatives Spiel anwenden und sich aktiv im Abwehrverband einbringen.

Generell finde ich, dass flexibles und situationsangepasstes Abwehrspiel zeitgemäß ist und sich die Abwehr, je nach Situation, die der Angriff wählt, flexibel reagierend zeigen sollte.


Montag, 8. April 2013

Gastbeitrag von Marc Brückner


Marc Brückner (Trainer mB-Jugend Bayernliga HaSpo Bayreuth) zum Artikel "Wenn die Lösung zum Problem wird! 4:2 Angriff gegen 3:2:1-Abwehr (jugoslawisch)"


Ist ein Angriffskonzept ein Problem?

Nein, es ist die Chance zum Umdenken und Weiterentwickeln! Die hohe Zahl von 4:2-Angriffen sehe ich als völlig normale Entwicklung im Handball. Bezogen auf unsere Mannschaft (B-Jugend Bayernliga) ist dieses System die nahezu einzige Möglichkeit gegen größere und kräftigere Mannschaften erfolgreich im Angriff zu spielen. Zugegebenermaßen liegt bei uns die Quote der 4:2-Angriffe sicher über 70-80%, um Tiefe und Breite zu generieren. Auch bei der aktuellen WM war der (deutsche) 4:2-Anteil gegenüber 3:2:1 gefühlt sehr hoch. Ebenso wurde zumeist auch gegen die deutsche 6:0-Abwehr das 4:2-Angriffssystem gespielt. Warum wird also ein System als Problem dargestellt, das zum einen sehr viele Lösungen gegen unterschiedliche Systeme bietet und zum anderen ein freies kooperatives (Kleingruppen-)Spiel im Angriff fördern „kann“?

Dass es zu dem, wie im Artikel genannten, „stereotypen Angriffsspiel ohne Einbindung der Außenspieler“ kommt, liegt meiner Meinung nach an der für mich „leider gängigen“ Methode des „defensiven VM“ bei Übergängen. Diese Variante wird in der Bundesliga gespielt, in nahezu allen Ausgaben der HT (zuletzt 1/13 Markus Gaugisch) demonstriert und letztendlich vom DHB gefordert.

Basierend auf drei Zitaten aus Peter Fedderns „3:2:1 mit Libero“ möchte ich eine Abwehrvariante bei Übergängen zur Diskussion stellen, die als „Aufrechterhalten der Vorteile und nicht nur des Systems der 3:2:1“ gesehen werden könnte.

In unserer B-Jugend reagieren wir auf Übergänge aus dem Rückraum (Außenübergang wird anders verteidigt) mit:

1. „Doppeln“ des ballbesitzenden Halbangreifers durch den VM und
2. „Anpressen“ des freien Halben durch den ballfernen Außenverteidigers. 


Idee: 

Zitat 1: „VM – der Zerstörer in vorderster Linie“
Der nach Übergängen wie in Abb. 2. „freie defensive VM“ geht aktiv zum Doppeln auf den ballbesitzenden Halben und zieht sich nicht „nur“ zurück. Der Druck auf den Ballbesitzer wird damit erhöht, der Weg zur Mitte nahezu unmöglich und die „Stereotypen“ Halb-Halb-Pässe gefährlich. Denn...

...Zitat 2: „Es gibt keine Punktwertung für Freistehen.“
In der aktuellen Variante (Abb.2) „stehen die Außenverteidiger und die restlichen Spieler werden zu „Sprintern“ im Mittelbereich. „Freistehen“ bezieht sich hier auf die beiden Kreisspieler. In unserer Variante steht der „ballentfernteste Spieler“ frei. Das weite Heraustreten an den freistehenden Halben durch den Außenspieler unterbindet nun die Halb-Halb-Pässe und führt eventuell sogar zum Steal. Denn...

...Zitat 3: „ Die 3:2:1-Abwehr mit Libero ist [...] eine Bekämpferdeckung.“
Der Druck wird dadurch spätestens nach dem Übergang von der Abwehr erzeugt und nicht mehr vom Angriff! Die bisherige Variante des Abwehrsystems erzeugt hingegen eher ein Reagieren als Agieren (Bekämpfen). Und das fördert „stereotypes Angriffs- UND Abwehrverhalten“.

Als vor einigen Jahren die defensive 6:0-Abwehr durch (Leer-) Kreuzungen des Angriffs uneffektiv wurde, „mutierte“ sie zur „antizipativen flexiblen Wand“. Diesen Prozess gilt es nun meiner Meinung nach für die 3:2:1-Abwehr „anzustoßen“. 

Freitag, 29. März 2013

Wenn die Lösung zum Problem wird! 4:2 Angriff gegen 3:2:1-Abwehr (jugoslawisch)


von Klaus Feldmann (www.handball-akademie.de)
und Daniel Meyer (www.handballcoaching.de)

Im Beitrag „3:2:1 - Standard und Vielfalt im gleichen System“ (ht 11/2012 und 12/2012) wurde kurz das Angriffsspiel gegen die 3:2:1-Abwehr thematisiert. Durch die DHB-Rahmentrainingskonzeption und Vorgaben für Auswahlmannschaften nimmt diese Abwehrformation eine zentrale Stellung im deutschen Nachwuchstraining ein. Viele Trainer von C- und B-Jugenden nutzen gegen diese Abwehr Übergänge ins 4:2  als Standardangriffs-mittel, wohl wissend dass in der vorgegebenen jugoslawischen Variante die Grundformation in der Abwehr aufrecht erhalten werden muss.

Zielsetzung im Nachwuchstraining muss es sein, individuell starke Spieler in Angriff und Abwehr auszubilden. Dies geschieht in erster Linie durch Zweikämpfe, die aufgrund einer mannorientierten Abwehrspielweise  in großen Räumen praktisch provoziert werden - solange die direkte Zuordnung von Abwehr- und Angriffsspielern gegeben ist. In der Manndeckung und der sinkenden Manndeckung wird diese Situation hergestellt. Mit der DHB-Rahmentrainingskonzeption und den damit verbundenen Deckungsvorgaben wird dies gezielt gefordert und gefördert.

Im Übergang zur offensiven Raumdeckung (1:5- und 3:2:1-Abwehr) gibt es auch eine klare Überlagerung der Arbeitsräume je eines Abwehrspielers und eines Angreifers solange der Angriff in der 3:3-Formation spielt (siehe Abb.1) . Die Grundidee beim Wechsel des Angriffssystems in eine 4:2-Formation ist es, diese mannorientierte Zuordnung zu knacken und damit Absprache- und Übergabe/Übernahme-Fehler in der Abwehr zu provozieren (siehe Abb. 2). Mit mannschafts-taktischen Mitteln werden gezielt die systematischen Schwächen der 3:2:1-Abwehr (jugoslawisch) angegriffen.

Abb. 1: 3:2:1-Abwehr gegen 3:3-Angriff


Abb. 2: 3:2:1-Abwehr gegen 4:2-Angriff





Die berechtigte Frage ist nun, ob Übergänge wirklich das Hauptangriffsmittel gegen diese 3:2:1-Abwehr sind. Zur quantitativen Absicherung dieser These wurden im Rahmen des Ländervergleichs der Auswahlen m97 am 24./25.11.2012 in Ratingen alle Spiele per Video aufgezeichnet und statistisch ausgewertet. Das Teilnehmerfeld und die Platzierungen sind dem Infokasten 1 zu entnehmen. Alle teilnehmenden Landesauswahlen agierten in Vorbereitung auf die DHB-Sichtung mit derselben Abwehrformation (3:2:1-jugoslawisch, d. h. mit Weiterspielen nach Übergängen). In allen zehn Begegnungen herrschten somit identische Bedingungen. Im Modus „Jeder-gegen-Jeden“ wurden pro Team vier Spiele ausgewertet. Die Ergebnisse der Spiele sind im Infokasten 2 dargestellt. 

Infokasten 1


Infokasten 2


Informationen zur statistischen Erfassung der Spiele: Es wurden ausschließlich abgeschlossene Angriffe im Positionsangriff gezählt. Abgeschlossene Angriffe aus Tempogegenstoß und erweitertem Tempogegenstoß wurden nicht berücksichtigt. Als Abschluss für einen Angriff kamen vier Kategorien in Betracht: Tor, Fehlwurf, Regelfehler (Schritte, Betreten des Wurfkreises, passives Spiel,…) oder technischer Fehler (abgefangener oder herausgespielter Ball). Die Einstufung des Angriffes in eine 3:3-Formation oder eine 4:2-Formation fand genau zum Zeitpunkt des Angriffsabschlusses statt.




Die Auswertung brachte für die einzelnen Teams folgende Ergebnisse:



















Quantität - wie viel?

Die Beantwortung der Ausgangsfrage („Sind Übergänge das Hauptangriffsmittel?“) kann durch die Gesamtstatistik auf den ersten Blick nicht bestätigt werden. Mit 47% der Angriffe im 3:3 und 53% im 4:2 besteht nur ein geringer Unterschied.

Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass die Werte von Rheinland-Pfalz (90% im 3:3 und 10% im 4:2) das Gesamtbild verzerren. Die Auswahl von Rheinland-Pfalz hat insgesamt 140 Angriffe im 3:3 abgeschlossen; alle vier anderen Auswahlen kommen zusammen auf  201 Angriffe im 3:3. Hessen liegt mit 44% im 3:3 und 56% im 4:2 nahe am Gesamtdurchschnitt. Die anderen drei Teams (HV Saar 30% im 3:3 - 70% im 4:2, HV Niederrhein 31% im 3:3 - 69% im 4:2 und HV Niedersachsen 35% im 3:3 - 65% im 4:2) kommen im Durchschnitt auf ein Drittel Abschlüsse im 3:3 und zwei Drittel im 4:2. Mit diesen eindeutigen Werten für die drei Mannschaften ist die Ausgangsfrage positiv zu beantworteten.


Qualität - wie gut?

Im zweiten Schritt lohnt sich auch ein Blick auf die erzielte Angriffseffektivität. Für die einzelnen Teams lassen sich dabei weitere interessante Aspekte aus den Tabellen entnehmen.

Der Turnierzweite Hessen agierte in allen vier Spielen mit nahezu identischen Werten bei der Effektivität im Vergleich von Angriffen im 3:3 und im 4:2. Die Werte von Rheinland-Pfalz lassen aufgrund der sehr geringen Anzahl von 16 Angriffen im 4:2 einen Vergleich nicht zu.

Das Team vom Turniersieger HV Saar erreichte insgesamt einen leicht besseren Wert im 4:2 (50% Effizienz gegenüber 43% im 3:3). Es hatte aber auch zwei Spiele, bei denen die Effektivität im 3:3 höher als im 4:2 war (gg HV Niedersachsen +12% im 3:3 / gg den Hessischen HV +15 % im 3:3). In den beiden anderen Begegnungen war die Effektivität im 4:2 höher (gg Rheinland-Pfalz +19% / gg HV Niederrhein +28%).

Die Auswahlen vom HV Niederrhein (4. Platz) und vom HV Niedersachsen (5. Platz) kommen auf eine geringere Effizienz im 4:2. In je zwei Spielen dieser Teams war die Effektivität im 4:2 deutlich schlechter als im 3:3:
HV Niederrhein gg HV Saar (1. Platz im Turnier) -26%,
HV Niederrhein gg HV Niedersachen (5. Platz im Turnier) -24%,
HV Niedersachsen gg HV Niederrhein (4. Platz im Turnier) -32% und
HV Niedersachsen gg Hessischer HV (2. Platz im Turnier) -18%. 
Die Platzierungen im Turnier belegen, dass das Niveau der Gegner nicht unbedingt den Ausschlag für diese Werte gibt.


Zusammenfassung und weiterführende Fragen

Zwei Aussagen lassen sich auf der Basis der ermittelten Zahlen mit Sicherheit formulieren:
-  Der Anteil von Angriffen in 4:2-Aufstellung gegen die 3:2:1-Abwehr dominiert bei drei Auswahlen eindeutig.
-  Die erzielte Effizienz im 4:2-Angriff rechtfertigt diese Dominanz nicht.

Die Beobachtung der Spiele zeigte weiterhin vielfach ein stereotypes Angriffsspiel:
-  Im Positionsangriff wird der Ball ohne Einbindung der Aussenangreifer gepasst.
-  Auf Ansage wird der Übergang entweder von der ballfernen Seite (im Rücken der Abwehr) oder als Kombination aus zwei gruppentaktischen Handlungen (Doppelpass Rückraum mit Kreisspieler + Einlaufen von Aussen / Kreuzen mit Rücklegen im Rückraum + Übergang vom dritten Rückraumspieler) angesetzt. Diese Auslösehandlungen sind in dieser Altersstufe kaum zu verteidigen.
-  Die angesagten Übergänge werden im Angriff oftmals strikt nach Handlungsanweisung heruntergespielt. Vor allem beim Pass zum diagonal stehenden Kreisläufer findet oftmals keine situative Entscheidungsfindung vom Passgeber statt.
-  Oft wird dann im 4:2-Angriff mit einer breiten Aufstellung der beiden Kreisspieler agiert, so dass der HM der 3:2:1 möglichst lange Laufwege hat. Dies bringt weiterhin ein Absinken der Abwehr zur Folge, dass teilweise kaum ein Unterschied zu erkennen ist ob aktuell eine 3:2:1-Abwehr oder eine 6:0-Abwehr gespielt wird.
-  Die beiden Kreisspieler agieren zumeist passiv - sie warten ab, bis die Abwehr einen Übergabe/Übernahme-Fehler macht oder ein Abwehrspieler zu spät kommt.
-  Es gibt auch Mannschaften die den Angriff erst gar nicht im 3:3 beginnen, sondern sich sofort in der 4:2-Aufstellung positionieren ...

Abschließend können zumindest zwei weiterführende Fragen formuliert werden:
-  Stellt die Dominanz des 4:2-Angriffs ein Problem dar?
-  Sollte das stereotype (weil reglementierte) Abwehrspiel flexibler agieren können, um damit den Angriff vor andere Situationen zu stellen? 


Zu diesem Artikel werden wir in den nächsten Wochen Marc Brückner (Trainer mB-Bayernliga - HaSpo Bayreuth), Dirk Mathis (Landestrainer - HV Saar) und Julian Bauer (Trainer mA-Bundesliga - SG Ratingen) ihre Sicht der Dinge erörtern und hier veröffentlichen lassen.

Donnerstag, 28. März 2013

handballtraining 3/2013: Wenn... ...dann! (Teil 2) von Daniel Meyer




Mein zweiter Beitrag "Wenn...  ....dannn! Auslösehandlungen: Grundablauf - Knotenpunkte - Gegneranpassung" für handballtraining ist mit der Ausgabe 03/2013 veröffentlicht worden. Den Beitrag findet ihr von Seite 16-24.

DANKE Madeleine, Klaus und Sarah.
DANKE Mädels für das Ausprobieren.